Carl Vaernet: Unterschied zwischen den Versionen

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“The hunt for nazi concentration camp doctor carl vaernet” ([http://users.cybercity.dk/~dko12530/hunt_for_danish_kz.htm online])
“The hunt for nazi concentration camp doctor carl vaernet” ([http://users.cybercity.dk/~dko12530/hunt_for_danish_kz.htm online])
=== Weblinks ===
* [https://www.2mecs.de/wp/2008/08/buchenwald-vaernet-experimente-homosexuelle/ 2mecs: Buchenwald: Vaernet Experimente an Homosexuellen]


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Version vom 18. Januar 2016, 17:10 Uhr

Carl Værnet, zunächst Carl Peter Jensen, (* 28. April 1893 in Løjenkær; † 25. November 1965 in Buenos Aires) war ein dänischer Allgemeinmediziner und SS-Sturmbannführer, der im KZ Buchenwald medizinische Versuche an Homosexuellen durchführte.

Buchenwald - Gedenkstein für die homosexuellen Opfer

Carl Værnet wurde am 28. April 1893 als Carl Jensen im kleinen Ort Løjenkær nahe Århus geboren. Er beendete sein Medizinstudium in Kopenhagen im Juni 1923 mit der Bewertung „cum laude“. Kurz zuvor, am 21. November 1921, hatte er die Änderung seines Namens von Jensen in Værnet beantragt (dänisch værne etwa schützen, verteidigen, wehren). Im November 1924 ließ Værnet sich als praktischer Arzt nieder. Er widmete sich u.a. der ‘Kurzwellentherapie’, baute eine zunächst gut florierende Praxis auf.

Bereits in seiner medizinischen Ausbildung kam Værnet mit Hormonexperimenten in Kontakt. Am Kopenhagener Kommunehospital führte Dr. Knut Sand 1923 bei vier Homosexuellen Hodentransplantationen durch – mit dem Ziel, dass diese sich anschließend vom weiblichen Geschlecht angezogen fühlen sollten. Sand vertrat die Auffassung, Homosexualität könne durch eine gestörte Hormonbalance erklärt werden. Værnet interessierte sich schon bald für Fragen der Hormone, insbesondere der Hypophyse sowie der Keimdrüsen. 1932 lernte Værnet bei einer Reise nach Berlin u.a. auch Magnus Hirschfeld und dessen Institut für Sexualwissenschaft kennen. Später äußerte er, hier bei Hirschfeld sei die Grundlage zu seinem ‘Lebenswerk’ künstliche Hormondrüse entstanden, und zur These Homosexualität könne durch zusätzliche Gabe von Testosteron geheilt werden. Værnet begann bald mit eigenen Forschungsarbeiten und entwickelte eine ‘künstliche Drüse’, eine Kapsel, die in der Leistengegend eingesetzt und kontinuierlich Hormon abgeben sollte.

1941 wurde Værnet, inzwischen Mitglied der dänischen Nazi-Partei DNSAP, von ‘Reichsgesundheitsführer’ Dr. Leonhard Conti nach Deutschland eingeladen. Im Sommer 1943 -Værnet war u.a. aufgrund von Ermittlungen wegen unberechtigter Abgabe von Morphium an eine Patientin unter Druck – verkaufte er seine Kopenhagener Klinik an die deutsche Wehrmacht. Mit Passierschein der deutschen Wehrmachtskommandantur reisten Værnet und Familie am 6. Oktober 1943 in einer deutschen Militärmaschine nach Berlin aus.

In Deutschland erhalte er, so hatte ihm der Reichsarzt SS Dr. Ernst Grawitz (General der Waffen-SS mit ständigem Kontakt zum Innenminister und ‘Reichsführer SS’ Heinrich Himmler) versprochen, alle für seine Forschungen erforderliche Unterstützung. Bald schon konnte Værnet Himmler persönlich über seine ‘Forschungen’ informieren und fand auch aufgrund seiner Hinweise auf die Möglichkeit einer Heilung von Homosexualität interessierte Zustimmung. Nach dem er eingewiligt hatte in den Rang eines ‘Sturmbannführers SS’ und nach Abschluss eines Vertrages mit der SS konnte Værnet bald seine als ‘geheim’ titulierte Arbeit aufnehmen, in Berlin und ab November 1943 in Prag in Laboratorien die überwiegend der SS gehörten. 1944 wurde Værnet angeboten, Versuche zu Hormonausscheidungen und Hormongaben an verschiedenen Gruppen von Homosexuellen zu machen. Im Konzentrationslager Buchenwald.

Zu diesem Zeitpunkt betrachtete Vaernet die Entwicklung seiner ‘künstlichen Hormondrüse’ als technisch weitgehend abgeschlossen – konkrete Versuche zum Nachweis ihrer Wirksamkeit standen nun an. Die weltweiten Patentrechte an Værnets ‘künstlicher Hormondrüse’ hielt eine am 5.5.1943 gegründete dänische Firma. Værnet ergriff die Chance, die sich ihm bot. Versuche mit seiner künstlichen Drüse an KZ-Häftlingen, mit dem Ziel dass diese durch die Einpflanzung ‘sexuell normal’ werden – die Chance, auf die er gewartet hatte. Solche Versuche waren wohl nur in Konzentrationslagern möglich – und konnten dort auch ohne Zustimmung der Betroffenen problemlos erfolgen.

Mindestens viermal hielt sich Værnet 1944 in Buchenwald auf (erstmals am 26.7.1944). Dabei operierte er 17 Männer zwischen 23 und 60 Jahren, 7 ‘Sittlichkeitsverbrecher’ sowie 10 Homosexuelle. Die erste Operations-Serie fand am 16.September 1944 statt, die zweite am 8. Dezember. Die Versuche sollten u.a. dazu dienen, die ‘Erhaltungsdosis’ zu bestimmen, und die prinzipielle Wirksamkeit zu prüfen. Den ‘Probanden’ wurden subkutan im rechten unteren Bauchbereich unter örtlicher Betäubung eine ‘künstliche Drüse’ implantiert, die von da an Testosteron abgeben sollte. In der Folgezeit sollte gemessen werden, ob sich sexuelles Verhalten und sexuelle Orientierung wie gewünscht verändern. Den Homosexuellen, an denen die Versuche durchgeführt wurden, wurde bei erfolgreichem Verlauf die Freilassung versprochen. Ein Versprechen, das in keinen einzigen Fall erfüllt wurde. Bei zwei der Operierten besteht eine mögliche Verbindung zwischen der Operation und ihrem baldigen Tod.

In Buchenwald arbeitete Værnet eng zusammen mit Dr. Schiedlausky, Standort-Arzt der Waffen-SS, sowie mit Dr. Erwin Ding. In Buchenwald wurden Homosexuelle häufig als Versuchspersonen für zahlreiche medizinische Experimente genutzt – u.a. auch für die berüchtigten Versuche Dr. Dings mit der tödlichen Infektionskrankheit Flecktyphus. Værnet selbst berichtete am 10. Februar 1945 Heinrich Himmler über seine Arbeiten und legte einen abschließenden Bericht vor (in dem er diesem gegenüber ‘tiefste Bewunderung und unverbrüchliche Treue’ äußert. Von Grawitz erhielt er erneut finanzielle Mittel für die Fortsetzung seiner Arbeiten.

Nach 1945 wurde Værnet für seine Taten nicht zur Verantwortung gezogen. Im Rahmen der sog. ‘Ärzteprozesse’ des Amerikanischen Militärtribunals in Nürnberg wurden seine Versuche in Buchenwald zwar mehrfach angesprochen, er selbst jedoch nicht angeklagt. Bekannt wurden Værnets Versuche in Buchenwald schon bald nach dem Krieg. Ernst Kogon, selbst dort als politischer Gefangener, schildert die Versuche in Buchenwald schon 1946 in seinem Buch „Der SS-Staat“. Und ab 1947 tauchten Berichte über Værnets Versuche in Buchenwald in der dänischen Presse auf.

Værnet war schon in den letzten Kriegsmonaten (im März 1945) nach Dänemark zurückgekehrt. Spätestens seit Ende 1945 arbeitet er wieder an seinem ‘Lebenswerk’, der künstlichen Hormondrüse, trat in Kontakt mit Pharmaunternehmen (u.a. Schering und DuPont) und erhielt dänische und US-Patentrechte. Aufgrund zahlreicher Zeugenaussagen sowie Berichten des dänischen Widerstands ermittelte die dänische Polizei bald gegen ihn. Doch mit wenig Nachdruck, auch wenn Anfang 1946 schließlich die Anklageerhebung wegen ‘Landesverrats und anderer staatsgefährdender Tätigkeiten’ erfolgte. Schlimmer noch, Værnet gelang (u.a. mit Unterstützung des argentinischen Legationsrats Pineyro) Ende 1946 die Flucht aus Dänemark. Über Schweden konnte er nach Brasilien und im Sommer 1947 weiter nach Argentinien gelangen. Dort arbeitet er schon bald wieder am Physiologischen Institut.

Carl Værnet starb am 25. November 1965 und ist gemeinsam mit seiner Frau Gurli auf dem Británico-Friedhof in Buenos Aires begraben.

Erst im März 1998 brachten Peter Tatchel und die britische Schwulengruppe OutRage! Bewegung in die Causa Værnet . Sie richteten ein Schreiben an den damaligen dänischen Ministerpräsidenten Poul Nyrup Rasmussen, in dem sie in zahlreichen konkreten Fragen um Aufklärung über Flucht und (fehlende) Schritte der dänischen Regierung baten. Zwar reagierte das dänische Justizministerium erst eineinhalb Jahre später (am 6. Juli 1999), und mit der abschlägigen Mitteilung, man sei „nicht im Besitz irgendwelcher Informationen über Carl Værnet“. Dennoch wurden die Archive in Sachen Værnet geöffnet – und bildeten die Grundlage für das äußerst lesenswerte Buch von Davidsen-Nielsen.


Literatur

Hans Davidsen-Nielsen et al.: ‘Carl Værnet – Der Dänische SS-Arzt im KZ Buchenwald“, Wien 2004

Carl Værnet. Der dänische SS-Arzt im KZ Buchenwald in: Invertito 7 (2005), Rezension von Herbert Potthoff, Köln

“The hunt for nazi concentration camp doctor carl vaernet” (online)

Weblinks