Szenesterben

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Anmerkung: Dieser Artikel ist bewußt provokativ geschrieben, um zum Nachdenken aufzufordern.

Aufgrund der hohen Erfolge der Gay-Dating-Platformen in den letzten 10 Jahren nahm die Vereinzelung leider wieder zu. Es ist so einfach, auf den sog. blauen Seiten ein Profil zu eröffnen und nach kurzer Zeit wimmelt es vor mails.

Somit ist der Zwang, in die Szene zu gehen, um ein "Date klarzumachen", nicht mehr gegeben. Dies ist zwar einerseits ein bedeutender Fortschritt, hat aber andererseits auch katastrophale Nebenwirkungen: Der Besuch der Gay-Locations nahm in den letzten 10 Jahren spürbar ab und viele Gay-Locations konnten sich nicht mehr halten. Die Szene dünnt mehr und mehr aus. Selten eröffnet eine neue Gay-Bar, doch viel öfter schließt eine für immer.

Viele Städte unter 200.000 Einwohner wurden im letzten Jahrzehnt gar szenefrei. Dieser Zustand ist zweifellos unhaltbar. Tausende Menschen in jeder Großstadt kämpften jahrzehntelang, um den Zustand von 2000 zu erreichen. Nun geht sang- und klanglos viel Gutes unter.

Trotz Internet hat - vom rein egoistischen Standpunkt aus betrachtet - die Szene unbestreitbare Vorteile: Mann kann sich über Stalker auf den blauen Seiten austauschen, klatschen und tratschen und auch mal so richtig schön ablästern. Vom altruistischen Standpunkt aus betrachtet ist die Szene selbstverständlich unverzichtbar, um ein Rückfall in die schweren Zeiten der Vereinzelung zu vermeiden. Ohne Szene ist die Solidarität gering. Ohne Solidarität können die LGBT's keinen gesamtgesellschaftlichen Druck aufbauen. Ohne gesellschaftlichen Druck wird uns die heterosexuelle Mehrheit keine weiteren Zugeständnisse machen und "Interessens-Raum" an uns abtreten.

Erste Verschlechterungen sind bereits sichtbar: Wenn ein Außenminister unterwegs ist und seine Frau mitnimmt, sagt niemand etwas. Nimmt ein Außenminister indes seinen Mann mit, ist das plötzlich ein Interessenskonflikt und Begünstigung. Wäre das in einer Gesellschaft mit einer festen geschlossenen Gay-Community passiert, hätte es einen Aufschrei gegeben. Da diese aber kaum noch sichtbar ist, blieb der Aufschrei aus. Das Szenesterben ist der Anfang. Ein Rückfall in die Zeiten der Diskriminierung könnte womöglich das Ende sein.

Ein finanzieller Anreiz, öfters in die Szene zu gehen, wäre u.U. die Etablierung einer regionalen und sektoralen Komplementärwährung, dem Szenegeld.